11 Februar 2017

Ein Artefakt

4. Der Stand der Wissenschaft

Das Artefakt bestand aus einem Hohlkörper aus langkettigen Polymeren. Auf der einen Seite war dieser eingeschlitzt, mit einer gelochten Verstärkung sowie mit geflochtenen Bändern versehen, ebenfalls aus Fäden aus langkettigen Kohlenstoffverbindungen.

Auf der anderen Seite war eine ausgestanzte längliche Metallplatte angebracht. Sie war nur mit einer dünnen Oxydschicht überzogen und bestand offenbar aus oxydationsreduziertem Metall. Wie man wusste, wurde das früher „nichtrostender Stahl" oder „Nirosta" genannt. In der Gegenwart des 26. Jahrhunderts bezeichnete man solche Legierungen einfach als „Stahl", sie waren durch die Bemühungen der werbetreibenden Wirtschaft zum Standard geworden, obwohl es für viele Anwendungsbereiche geeignetere Metalle gab.

Jede nicht-nichtrostende Legierung musste nunmehr spezifisch bezeichnet werden, diese Stähle waren wegen einseitiger Optimierung der Stahlproduktion auf Rostfreiheit dem breiten Publikum völlig unbekannt. Selbst eine feine Oxidationsschicht galt nicht mehr als unschön, aber ungefährlich. Vielmehr wurde derartige Oxidation als Gipfel der Unhygiene angeprangert - aber den Archäologen und Sammlern bewies sie immerhin den Altertumswert und auch die Authentizität. Ganze Legierungen waren nämlich sehr schwer zu fälschen.

In dem “Artefakt” hatte man einige Knochen gefunden, die die Archäologen allerdings nicht zuordnen konnten. Sie mussten sie daher den Anthropologen überlassen.

In diesem rätselhaften Hohlkörper war an der Schmalseite des Schlitzes unter den Bändern - oder war es überhaupt nur ein Band? - eine Lasche befestigt. Der Hohlkörper selbst war mit einer Vielzahl von Rissen übersät, da das Polymermaterial alterte und dabei rissig wurde. Aus der Art des Materials konnte man das Alter des Artefakts abschätzen, da dieses vermutlich erst ab 1960 in größerem Umfang verwendet wurde. Auf dem Stahl konnte man später im Labor die Ziffernfolge 1-9-8-3 sichtbar machen, möglicherweise eine Jahreszahl.

 

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