26 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Große Städte (11)

Fatale Sandale lenkte das Gespräch lieber wieder zurück auf die Panik in der Großen Stadt, die Rauchender Haufen besucht hatte. Tatsächlich kamen nur ganz wenige Tiger auf ganz viele Indianer. Aber dennoch hatte die Angst vor Tigern die Stadt an den Rand des Untergangs gebracht. Er arbeitete weiter an einer Erklärung:

"Die Indianer dort fürchten sich. Und je öfter sie darüber reden, umso wirklicher erscheint ihnen ein ganz ganz unwahrscheinliches Ereignis. Ich kann mir aber vorstellen, dass noch einiges dazu kam. Kann sein, irgendein Medizinmann-Kollege übertreibt die Gefahr, um seine Medizin loszuschlagen: Zaubertrank, der gegen Tiger hilft."

"Du bist boshaft, Fatale Sandale."

"Nicht im Geringsten. Keiner kann so eine Behauptung kontrollieren. Es sind ja nur zwei Tiger, da müsste man überhaupt erstmal einen treffen. Und wenn: Überlebt derjenige - dann hat der Zaubertrank geholfen. Überlebt er nicht - kann er auch nicht davon berichten. Oder hatte nicht genug Zaubertrank."

"Das ist doch ziemlich übertrieben, oder?"

"Gar nicht! Ich habe solche Quacksalber selbst gesehen! Oder diese berufsmäßigen Geschichtenerzähler schmücken die Bedrohung durch die Tiger maßlos aus, damit ihnen mehr Leute zuhören. Wer könnte so eine Erzählung nachprüfen?"

"Genau niemand."

"Oder jemand will Häuptling werden anstelle des Häuptlings..."

"Warum sollte jemand Häuptling werden wollen?"

"Sei doch nicht so begriffsstutzig, Roo-Arr! Weil er es will! Da gibt es unzählige Gründe."

"Das ist ein verdammt anstrengendes Amt! Was für Gründe kann es dafür geben? Nenn mir nur einen!"

"Weil er sich besser fühlt - weil er damit angeben kann - weil er sich einen großspurigen Namen zulegen darf - weil er bei der Arbeit ein buntes Kostüm tragen darf - weil ihm die Wachkrieger gehorchen müssen - weil er in einem protzigen Haus arbeiten kann - weil er wehrlose Gefangene umbringen lassen darf ... und das ist nur ein Grund."

"Das war mehr als einer!"

"Ja. Aber damit sich die Indianer unsicher fühlen, verbreitet er Schauergeschichten über Tiger. Und dann verspricht er, dass unter seiner Führung alles viel sicherer wäre. Auch wenn da fast gar keine Tiger sind. Oder sogar: Gerade weil - sehr viel sicherer kann es doch gar nicht werden."

"Aber ein kritischer Indianer glaubt doch nicht alles, was man ihm erzählt."

"Zur Not lässt der Anwärter auf das Häuptlingsamt eben selbst ein paar Leute zerfleischen und schiebt die Schuld auf die Tiger. Und wenn er damit wieder aufhört - zack! - schon ist es sicherer!"

"Du traust den Leuten wirklich viel schlechtes zu, Fatale Sandale."

"Ich habe meine Gründe. Ich habe einige getroffen, die zu jeder niederen Bosheit bereit wären, um Häuptling zu werden."

"Tja. In diesem Fall ist das anscheinend schiefgegangen."

Jeder der beiden war froh, dass er nicht in derart unberechenbarer Gesellschaft leben musste. In ihren kürbistragenden Gebieten, in den Kreisen ihres Pueblos und auch der Nachbarn in den Zelten, bewegte sich das Leben im Einklang mit der Natur im überschaubaren Rahmen. Nur hin und wieder wurde es durch ein überraschendes Ereignis unterbrochen. Zum Beispiel durch die Ankunft eines Tigers.

 

ENDE

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