05 April 2011

Japan wieder mal

Hier ging es schon eine Weile nicht mehr um Japan: Die verschiedenen ramponierten und teilweise undichten Reaktoren bei Fukushima, die Probleme mit der austretenden Radioaktivität, mit der Evakuierung der Anwohner und um all die Schwierigkeiten, die sich bei so einem GAU ergeben.

Informationen darüber erreichen uns leider nur gefiltert durch die Hände deutscher Journalisten. Das sind nicht unbedingt Leute, die von irgendetwas besondere Ahnung haben. Oft sehen sie ihren größten Ehrgeiz darin, zu schreiben, was das Publikum erwartet: Heilige Empörung beim Spiegelleser, gefälliges Infotainment bei FOCUS und Stern, Stammtischniveau bei BILD und BZ, ein guter Journalist kann sowas, das ist eine Qualifikation. Rechnen oder Sachkenntnis muss man als Journalist nicht können und haben, die stören da nur und lenken vom eigentlichen Thema ab. Beachte: Wenn in Deutschland ein Eisbär stirbt rücken die defekten AKWs in den Hintergrund.

Was man allerdings aus diesen Meldungen herauslesen kann, ist, dass sich das Management der Betreiberfirma TEPCO etwa auf derselben intellektuellen Höhe bewegt. Für sie ist nach wie vor wichtiger, bei aller traurigen Inkompetenz eine gute Figur zu machen. Seit dem Unfall, inzwischen fast drei Wochen, beweisen sie etwa einmal pro Tag, dass sie nicht einmal in der Lage sind, ein Desaster zu verwalten, wenn schon alles zu spät ist. Es gibt Messfehler, Interpretationsfehler, Kommunikationsfehler, Organisationsfehler und jeden Tag ein neues ungeheuerliches Versagen.

Derzeit geht es darum, dass man seit neuestem nicht weiß, wohin mit einer gewissen Menge verstrahlten Wassers. Bis letzte Woche lief es noch ins Meer. Jetzt möchte man es auffangen. Weil man den Platz im Kraftwerk, wo es jetzt steht, braucht, um noch verstrahlteres Wasser ... ja, was? ... zwischenzulagern?

Nach langer und gefährlicher Suche ist man auf einen Ponton verfallen, der bisher als Angelsteg in einem Hafen vor Anker lag. Nun muss man den ehemaligen Angelsteg erst noch ein paar Wochen lang zum Tank umrüsten und dann kann man ihn - vielleicht - irgendwann tatsächlich einsetzen.

Es geht um ca. 11.000m³. Die absolute Menge kann als relativ gesichert gelten. In deutschen Medien werden daraus schnell "11&bnsp;Millionen&bnsp;Liter!" Oh! Mein! Gott!

Elftausend Tonnen (Gewicht) oder Kubikmeter (Raummaß) hört sich zwar auch nach einer ganzen Menge an, aber bei weitem nicht so gruselig wie "11&bnsp;Millionen&bnsp;Liter!&bnsp;Oh!&bnsp;Mein!&bnsp;Gott!"

11.000m³ sind umgerechnet 20m x 40m x 14m, oder etwa das Volumen einer kleineren Werkhalle. Ein Gartenhäuschen im Vergleich zu den Abmessungen der Kraftwerksgebäude. Im Groß-Schiffbau sind 11.000m³ etwas weniger als gar nichts, oder etwas mehr als das durchschnittliche Küstenmotorschiff. Wir erinnern uns (deutsche Journalisten müssen jetzt nicht mitmachen): Die Verdrängung von Schiffen wird in to. gemessen, und eine Tonne Wasser entspricht ziemlich genau einem Kubikmeter. Oder 1.000 Liter. Wer sich ein wenig umhört merkt schnell, dass Schiffe von 11.000to eher nicht so zu den Riesen gehören.

Daher verwundert es sehr, dass die Katastrophenfirma TEPCO angeblich so große Schwierigkeiten hat, einen schwimmenden Behälter zum Auffangen dieses verseuchten Wassers aufzutreiben: In einem Land mit tausenden Kilometern Küste, hunderten Hafenstädten und lebenswichtigem Seehandel kann das kein großes Problem sein. Deutsche Journalisten wundern sich darüber natürlich nicht. "11 Millionen Liter! Oh! Mein! Gott! So viel!"

Auf den Weltmeeren schwimmen hunderte von Schiffen herum, die mehr als das zehnfache transportieren, einige sogar das fünfzigfache, meist geht es da um Öl. Aber so einen zu chartern würde wohl Geld kosten. Und das schöne Geld möchte TEPCO auch nach dem Desaster immer noch lieber woanders ausgeben als zum nutzlosen Auffangen von radioaktivem Wasser, mit dem man dann vielleicht doch wieder nichts anfangen kann.

Es ist keineswegs so, dass die Firma sich gezwungen sieht, mit allen Mitteln gegen die Katastrophe zu kämpfen. Sie kalkuliert immer noch mit ganz spitzem Stift. Dabei geht es hier um eine kleine Summe, sehr viel weniger Geld als den Schaden der Evakuierung der verseuchten Umgebung im Radius von 20km um das Kraftwerk. Wenn hier schon wieder gespart wird - was hat TEPCO dann wohl im großen Rahmen für Pläne? Dieses kleine Detail entgeht aber dem durchschnittlichen deutschen Journalisten, wenn er seiner Pflicht nachkommt, den mündigen Bürger zu informieren.

Stundenlang könnt ich mich aufregen!




die Sache mit den 11.000m³ stammt aus weiteren Quellen, auch wenn im Spiegel-Artikel verschiedene andere Zahlen genannt werden

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