19 Mai 2010

Zahlungsmoral (17)

eine fast nicht erfundene Geschichte


Was bisher geschah:
Unser ehemaliger Auftraggeber, ein unbegabter Architekt, hat unsere Arbeit nicht bezahlt, weil ihn die Ausgabe reute. Wir zahlen ihm das jetzt heim und sind nicht zimperlich. Seine Kreditwürdigkeit ist inzwischen nicht mehr die beste und seine sogenannte Büroorganisation wird allmählich porös.



XI.
Mein Chef pflegte eine ziemlich eigene Logik. Darin unterschied er sich nicht von den meisten Chefs von irgendwas: Die wollen alle gerne ihre Überlegenheit unter Beweis stellen, egal wie ungeeignet die Situation dafür gerade ist. Wenn sie sich das einmal in den Kopf gesetzt haben, spielt rationales Abwägen keine Rolle mehr. Als Eigentümer eines Unternehmens ist man aber normalerweise bestrebt, Schaden von der eigenen Firma fernzuhalten, ganz im Gegensatz zu angestellten Managern, die in der Regel für überhaupt nichts geradestehen. Vielleicht habe ich da aber auch irgendetwas bis heute nicht richtig verstanden. Mir kam eine Episode wieder in den Sinn, die sich einige Wochen nach meinem Arbeitsantritt im Büro ereignet hatte.

Der oberste Bauherrenvertreter machte seine anstrengende Tätigkeit nicht allein, sondern hatte selbstverständlich ebenfalls Mitarbeiter. Der eine Mitarbeiter des Bauherrn, der zu unserem Projekt gehörte, war an sich auch studierter Architekt, so stand es jedenfalls auf seiner Karte, der Bauherr bezeichnete ihn sogar als „meine rechte Hand“. Er hätte ihn aber viel zutreffender seine linke Hand nennen sollen, oder "mein sprechender Wurmfortsatz", der Typ wusste nämlich überhaupt nichts. Bei ihm schienen sich angeborene Dummheit und erworbene Ignoranz ideal zu ergänzen. Dieser Mitarbeiter war auf eine ziemlich blöde Idee verfallen, und weil es seine Idee war, wollte er sie mit aller Gewalt durchsetzen, egal, wie abwegig sie auch sei. Seiner Wahrnehmung nach war er ja fast selbst der Bauherr, und „wer zahlt schafft an“.

Klar war: Seine Idee würde eine Weile nach Fertigstellung zu einem kapitalen Bauschaden führen. Für solche Bauschäden haftet unter anderen der Architekt, der die Sache geplant hat. Das bedeutet, dass er die Beseitigung des Schadens bezahlen muss, wenn man ihm etwas nachweisen kann. Oder wenn kein anderer dafür geradesteht. Tut aber selten jemand anders, die Baufirmen sind oft längst pleite, wenn die ersten Bauschäden entdeckt werden. Man ist als Planer schon aus reinem Selbstschutz bestrebt, Bauschäden zu vermeiden.

Ich handelte zu dieser Zeit also noch im Sinne des Büros, für das ich arbeitete, und hatte die Sache aus gutem Grund bereits abgebogen. Mein Chef wusste davon. Aber der dummdreiste Mitarbeiter vom Bauherrn ließ nicht locker. Eines Tages rief er an, als ich gerade einmal zur Toilette verschwunden war und wurde zum Chef durchgestellt. Als ich nach kurzer Zeit zurückkehrte sah ich, wie der Chef telefonierte und mir durch die Scheibe aufgeregt zuwinkte, ich sollte in sein Büro kommen. Dort stellte er sein Telefon laut, so dass ich mithören konnte. Der Mitarbeiter vom Bauherrn hatte ihm anscheinend seine urdämliche und schon längst abgeschmetterte Idee noch einmal in aller Eindringlichkeit geschildert und mein Chef war gerade dabei, ihm überaus verständnisvoll in allen Punkten zuzustimmen.

Warum er mich in sein Büro gerufen hatte, wurde mir erst nicht recht klar – er ließ mich nämlich nicht zu Wort kommen, sondern unterhielt sich nur mit dem Aktenkofferträger unseres Auftraggebers. Immer wenn ich versuchte einzuhaken gab er mir ein Zeichen, dass ich die inspirierte Unterredung auf keinen Fall unterbrechen sollte. Als er aufgelegt hatte, konnte ich zu Recht beleidigt darüber sein, dass er mir voll in den Rücken gefallen war. Er machte mir die Arbeit damit noch deutlich schwerer als sie ohnehin schon war. Sein eigenes Risiko schien ihn überhaupt nicht zu kümmern. Hauptsache, er konnte irgendwem gegenüber großspurig auftreten. Aber als freier Mitarbeiter formuliert man so etwas seinem Arbeitgeber gegenüber nicht immer so deutlich und so dachte ich im Stillen wieder einmal nur „Er wird schon wissen, was er tut, er ist ja erwachsen.“



... to be fortcontinued in kürze ... hier:  Zahlungsmoral (18)

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