27 April 2010

Zahlungsmoral (6)

eine fast nicht erfundene Geschichte


...

IV.

Außer mit dem Häuserbau kenne ich mich noch mit Computern einigermaßen aus. Das bringt der Job mit sich. Man bearbeitet die verschiedensten Aufgaben und benutzt dafür mindestens ein halbes Dutzend Programme, zum Zeichnen, zum Konstruieren, zum Kalkulieren, für so simple Dinge wie Ordnerrücken oder so schwierige wie die Berechnung des Wärmebedarfs. In jedem Büro gibt es außerdem ein Netzwerk, und die Daten müssen regelmäßig gesichert werden. Oder sie sollen an jemanden verschickt werden, und zwar in einem Dateiformat, das der Empfänger auch lesen kann. Dabei machen einem Firewalls, automatische Virenscanner und Trojanerschutz das Leben zusätzlich schwer.

Fast das ganze Wissen eines Büros steckt in den kleinen Kisten und von allen wird es beinahe regelmäßig auf den Server kopiert, so dass dort fast die gesamte Information in einem einzigen Teil vorliegt. Ich hätte jetzt einfach den Server mitnehmen und die anderen Rechner neu formatieren können. Aber die Daten wurden regelmäßig gesichert und außerdem wäre der Verdacht sofort auf mich gefallen. Der Schaden wäre klein und mein Risiko groß gewesen. Ich hatte mir das anders herum vorgestellt.

Der "Systemadministrator" des Büros war der halbwüchsige Sohn eines Mitarbeiters. Er war zu dem Job gekommen, weil er eine Schule mit Computer-Schwerpunkt besuchte, das Wort Netzwerk fast fehlerfrei aussprechen konnte und zudem wenig kostete. Sein Vater hatte beim Chef ein gutes Wort für ihn eingelegt. Der Job seines Sohns ersparte ihm etliche Diskussionen ums Taschengeld. Und ganz konkret das Taschengeld. Dem Sohn war beides zu poplig: Die Diskussion wie auch das Taschengeld selbst, weil er mit dem Job das dreifache des regulären Taschengeldsatzes seiner Mitschüler verdiente.

Wegen dieser Konstellation hatte das Netzwerk des Büros erwartungsgemäß ein paar Eigenheiten: Die Sicherheits­maßnahmen bestanden aus Standardprogrammen für Heimanwender. Alle solchen Programme werden sehr unkomfortabel, wenn man die Sicherheitsstufe anhebt. Man muss immer wieder Passwörter eingeben oder bekommt am laufenden Band dumme Fragen gestellt. Das störte natürlich alle Mitarbeiter und deshalb war überall die niedrigste Sicherheitsstufe eingestellt und alles so konfiguriert, dass es gegen einen nicht allzu boshaften Angriff von außen geschützt sein würde. An einen Zugriff von innerhalb des Büros dachte ohnehin niemand: "Wieso? Wir sind doch hier! Und wir kommen doch sowieso an alle Daten ran..."

Wenn der jugendliche Systemadministrator einmal ein neues eigenes Programm mitbrachte, und dieses nicht sofort reibungslos funktionierte, wurde ohne zu zögern daran herumkritisiert und vorwurfsvoll seine Kompetenz in Zweifel gezogen, aber von bequemen Ignoranten die noch nicht einmal das Problem bei der Sache verstanden.

Zweifel waren zwar generell angebracht, nur fehlte dem Jungen dafür die Einsicht und den Kritikern sowohl das fachliche Interesse wie auch der Wille zu diplomatischem Vorgehen. Der Administrator war daher ein wenig frustriert und - ganz neutral gesagt - vom Anspruch der Aufgabe überfordert. Ohne es selbst zu merken. Im Grunde machte er für sein Taschengeld Dienst nach Vorschrift.




... to be fortcontinued in kürze ... hier: Zahlungsmoral (7)

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