16 Oktober 2008

Eiscreme


Esst Ihr gerne Eis? Falsch, ganz falsch!


Mir geht ja schon der Hype um dieses furchtbare MAGNUM auf den Zünder wie sonst kaum was. Selbst Leute, denen ich einen eigenen, nicht mal so schlechten Geschmack zubillige, betonen immer wieder wie uuuun-glaub-lich gut dieses Magnum doch ist! Tragisch. Klebriges, besonders schweres geschmackfreies Zeug, und zudem auch noch besonders teuer.

Wird aber immerhin noch in jeder Hinsicht von der Haägen-Dassz-Schmiere übertroffen, bei der man schon nicht weiß, wie man sie aussprechen soll. Aber diese Ratlosigkeit bezahlt man da gleich mit.

Zur Aufklärung der breiten Massen hier ein Auszug aus einem Vortrag zweier Lebensmittelchemikerinnen der Uni Bayreuth "Was stellen Sie sich unter 'Stabilisatoren' vor?" (es geht eigentlich um Johannisbrotkernmehl [JBKM])
... Bei der Beschreibung der Rolle möchte ich der Herstellungsweise für industrielle Eiskrem folgen:

1. Schritt:

Wenn JBKM normaler Qualität mit heißem Wasser (85°C) versetzt wird, quillt es und bildet eine schleimige, etwas klebrige, trübe Lösung. Darauf geht die historische, heute noch im englischen gebräuchliche Bezeichnung "gum" (Gummi) zurück.

... der erste Schritt ist also nicht etwa die Zubereitung von Lebensmitteln... (Anm. d. Bloguators)

2. Schritt:

In einem zweiten Schritt werden mehrere Grundstoffe zu einem Mix verrührt, die Stabilisatoren-Lösung in warmem Zustand zugegeben. Auch in diesem Schritt spielt der schleimige Zustand noch keine besondere Rolle. Beim Verzehr jedoch erhöht der Schleim die Tropffestigkeit der Eiskrem und verursacht ein "schmieriges" Gefühl auf der Zunge ("Mundgefühlregulator"), das einen hohen Fettanteil suggeriert. Dadurch kann die Fettmenge in Eiskrem bis auf den Anteil reduziert werden, der für das physikalische Gefüge unbedingt nötig ist. Neben dem positiven Effekt der Brennwertsenkung erreicht man aber auch eine Verbesserung der Geschmacksqualität: Lebensmittel mit einem hohen Fettanteil schmecken "schwer" (Buttercreme in Torten); hier jedoch stellt sich ein "leichterer" Geschmackseindruck ein. Das liegt zum Teil auch an einem anderen Effekt.

3. Schritt:

Nun wird der Eismix vorgekühlt und mit einem Küchenmixer bei höchster Drehzahl gerührt. Jetzt geht die Mischung plötzlich auf wie Sahne kurz vor dem Punkt, an dem sie steif ist. Durch die niedrigere Temperatur wird der Schleim zäher und kann mehr und größere Luftblasen im Mix festhalten.

Die Luftblasen drin nennt man Aufschlag. Erwünscht ist ein Aufschlag von um die 100%, d.h. wenn Sie 1 L Eiskrem kaufen, bezahlen Sie 500g Eismasse und 500mL Luft.

Kaufleute sagen Aufschlag, wenn sie etwas deutlich teurer verkaufen, als sie es eingekauft haben. (Anm. d. B.).

Hier stabilisiert nun JBKM den Schaum bzw. die gasförmige Phase im Dreiphasensystem Eiskrem, indem es die Luftbläschen festhält und günstig darauf einwirkt, daß sich eine gleichförmige Bläschengröße von ca. 100m m einstellt. Letzteres hat neben sensorischen auch eher optische Gründe: große Luftblasen geben dem Eis einen ungesund-gräulichen Farbton.

Bei niedrigeren Temperaturen wird die ursprüngliche Lösung zum Gel: (Abb.)
Gleichzeitig soll im Eismix viel Wasser festgehalten werden.

... meinetwegen ja nicht... (Anm. d. B.)

Hier muß man auch ein Optimum finden: auf der einen Seite gilt "je mehr Wasser desto frischer der Geschmack", auf der anderen Seite "je weniger und kleiner die Eiskristalle sind, desto cremiger wirkt das Produkt".

JBKM bindet das Wasser in so kleinen Einheiten, daß sich keine wahrnehmbaren Eiskristalle bilden können. Hierauf beruht die Verwendung von JBKM als Feuchthaltemittel und gleichzeitig ist dies der Beitrag zum "cremigen" Geschmack: Eiskristalle ab 50 Mikrometer würden von der Zunge einzeln wahrgenommen werden und hinterlassen einen "sandigen" Eindruck.

Ein ähnlicher Effekt tritt auch bei langer Lagerung ein: (Abb.)

Das Gleiche gilt natürlich auch für die Fettkügelchen: dadurch, daß sie klein- und vom Wasser getrennt festgehalten werden, ergibt sich eine gewisse "emulgierende Wirkung" des JBKM. Freilich ist der Hauptbeitrag dazu der der mechanischen Bearbeitung: durch besondere Homogenisierungsverfahren werden die Zutaten fein verteilt.

Dadurch, daß JBKM Wasser festhält, erklärt sich auch der "qualitätskonservierende" Einfluß: die in der REM-Aufnahme zu sehenden Eiskristalle können während der Monate dauernden Lagerung langsamer wachsen. Das Eis bleibt für den Hersteller und Verkäufer länger lagerfähig und für den Verbraucher länger "cremig".

Ja, genau, toll, so denken wohl Lebensmittelchemiker. Und DAS wollen Menschen essen?

Ich erinnere mich an das italienische Rezept für Speiseeis: 500g Sahne - 500g Früchte - 500g Zucker. Im Ausnahmefall noch Eigelb. Hat nicht viel Ähnlichkeit mit dem da oben.


Und wir haben früher über solche vermeintlichen Geschmacksverirrungen aus Amerika wie Knoblauch-Leberwurst-Eis gelacht.

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