04 Juni 2008

Musik und Tön


III. Staffel - Busfahrerelegie

1. „wat ick darf und wat ick tue sind zwei verschiedene paar schuhe..."

Dem werner seine tochter heißt lisa und is jetzt zehn. die lisa is so'n hübschet schüchternet mädchen, und sie is dunkelhäutich, ihre mutter kommt aus die karibik. von wo jenau kann ick mir nie merken, die ham da so viele inseln - jedenfalls eene davon.

Die lisa treffe ick fast jeden tach, weil se mit mein bus zur schule fährt, und so ham wer uns ooch kenn'jelernt. Ick würde sie jar nich persönlich kennen, da sind ja ooch noch andere kinder in mein bus, aber gleich am ersten tach is wat passiert: Nach die schule steigen nach ihr drei jungs in den bus, pöbeln, machen radau und lästern.

Erst denke ick „naja, in dem alter warste selbst wahrscheinlich ooch so". Und ick bin ooch immer froh, wenn ick nich eingreifen muss, weeß ja keener, wat denn passieren kann. Aber irgendwann merke ick, dass die drei jungs dit kleene mädchen piesacken und jemein zu ihr sind. Die jungs sind vielleicht vierzehn und viel größer wie sie und zu dritt. Sowat finde ick unjerecht, da schwillt mir der kamm! Meine anderen fahrgäste kieken pikiert weg und tun so, als ob se nüscht jemerkt ham - is ja immer so. Also muss ick wohl doch wieder ran. Übern lautsprecher sage ick an: „Jungs, ihr könnt jetzt wieder still sein - aber ihr könnt ooch jerne loofen. Und vor allem lasst ihr dit mädchen in ruhe!"

Aber dass höfliche ermahnung nich helfen wird, habe ick schon vorher irgendwie jeahnt: „Halts maul du arsch! Halt dich da raus! Du kannst uns gar nichts! Wir ham bezahlt!"

Eener von die drei fühlte sich wohl als chef und führte dit große wort. Der musste anscheinend wat beweisen: "... und schon gar nicht wegen der negerhure!" Da is mir der kragen jeplatzt.

Die anderen fahrgäste waren inzwischen vorsichtshalber ausjestiegen, dit feige pack, nur noch dit mädchen und die drei jungs im bus. Und ick.

Ick fahre rechts ran und funke den kollegen zu, dass ick ne kleine verspätung habe, wegen unfall - dem unfall, der jetz gleich kommen wird. Denn jeh ick nach hinten.

Zu dit mädchen sage ick freundlich: „Setz dir bitte mal nach vorne, kleene, jeht gleich weiter, wir müssen hier wat klären..." und sie jeht nach vorne. Und zu die jungs: „Wat hast du zu dit mädchen jesacht?"

Der lautsprecher und seine beeden freunde ham breit jegrinst, und der meinte „Wegen der negerhure halten sie an?" Immerhin warn wer jetzt schon wieder per Sie, kaum dass ick n bisschen näher komme.

„Also, ick sehe da vorne'n kleenet stillet mädchen und hier drei große unverschämte rotzlöffel die janz schlecht riechen. Alleene hättste dich wohl nich jetraut, wa? Jehört ja schon ne menge mut dazu, so'n kleenet mädchen zu piesacken."
„Na und? Die negerschlampe hats doch verdient!"
Da muss mir irjendwie die hand ausjerutscht sein, so zwei, drei mal, richtich mit schwung. „Sie schwein! Ich zeige sie an!"

'SIE schwein' - lustich, wie höflich so kinder sein können, wenn se sich mühe jeben. Die beeden kumpels waren aufjesprungen und janz nach hinten jerannt, zur anderen tür. Nur raus konnten se nich, die tür war ja zu. Nu standen se mit großen augen da.

„So, du jehst jetz zu dit mädchen und entschuldichst dich höflich"
„Wichser!"

Musste ick ihn doch glatt nochmal körperlich ermahnen, wieder mit schwung. Jelacht hat er nich mehr.
„Kiek mal, deine mutigen freunde stehen da hinten und bibbern. Die wollen lieber nach hause. Helfen wolln se dir aber scheints nich. So ne freunde möchte ick mal ham, da kannste dir hände und füße dran wärmen."

Denn hab ick dem armleuchter vorsorglich noch'n paar jefeuert und er fing doch tatsächlich an zu weinen. Und ick janz barmherzich: „Heulen wird dir nich helfen - du steigst hier nich aus, bevor de dich nich entschuldigt hast!"
„Das dürfen sie gar nicht!"
„Wat ick darf und wat ick tue"
sage ick „sind zwei verschiedene paar schuhe." Konfuzius.

Und denn zu seine kumpels: „Heh, jungs, seid ihr ooch sone heulsusen wie euer anführer?" Aber die schütteln bloß den kopp und murmeln wat wie „Is nich unser anführer." Und ick zu dem, der mal ihr anführer war: „Haste jehört, heuli? Also, wat is jetz?"

An sich wollte ick jerne weiterfahren, aber ick hätte mir ooch jerne nochn bisschen die hände an dem schmutzig jemacht.

Denn isser aber leider widerwillig aufjestanden, mit seine verheulten augen, ick sage noch „Vergiss nich: Höflich!" und wie er nach vorne lief duckte sich dit mädchen und wurde noch kleener, als se ohnehin schon war.

Da hab ick hinter dem kopp von dem jungen hasenohren jemacht und sie musste grinsen. Heute sacht man ja 'dit victory-zeichen', nach winston churchill, der ooch immer so'n V zeichte mit seine wurstfinger. Aber bei uns warn dit einfach hasenohren.

Wie er vor die kleene steht, murmelt der frühere lautsprecher „Es tut mir leid..." und ick klar verständlich: „Ick versteh dich jar nich!" und er etwas lauter „Es tut mir leid."
„Und?"
„Was und?"
„Wirste dit nochmal machen? Kleene mädchen und schwächere piesacken?"
„Nein."
„... im janzen satz, wenn ick bitten darf!"
„Ich werde es nicht nochmal tun..."
„Aha."


Zum schluss hab ick ihm noch einjeschärft: „Die nächsten vier wochen will ick dich nich in mein bus sehen. Wenn doch, bin ick nich so zartfühlend wie heute! So, jetz darfste jehn." Denn hab ick die tür kurz aufjemacht und er is davon jestürzt, die heulboje.

Zu die andern beeden jungs hab ick jesacht: „Ihr müsst schon hier vorne vorbei, wenn ihr raus wollt..." Die ham jeschlottert. „Denkt dran, dass ihr euch noch entschuldigen wolltet!" Denn sind se zwischen der kleenen und mir durchjeschlichen und jeder hat jemurmelt „Tut mir leid."

Und ick zu denen: „Ihr sei ja schöne freunde, auf euch kann sich euer kumpan verlassen, wa!" Die tür war ja wieder zu. „Aber der hat sich ohne euch verpisst - da ham sich jenau die richtigen jetroffen. Euch will ick mindestens die nächsten vier wochen nich mehr sehen!" Denn hab ick se endlich rausjelassen und habe dit mädchen nach hause jefahren.

Die nächsten tage hab ick die jungs tatsächlich nich jesehen. Nach drei wochen steigt der lautsprecher wieder ein, lacht und tut, als ob nüscht jewesen wäre. Und ick begrüße ihn: „Wiedersehen!"

Und er janz unschuldich "Wieso denn?" und ick „Deine frist is noch lange nich um. Hau ab."
Meint er wieder „Sie können mir gar nichts!"
Manche wollens wirklich wissen. Und ick: „Brauchste wieder eene jewischt? Willste die andern fahrgäste ooch zeigen, wat für ne heulsuse du bist? Eenmal langt wohl noch nich? Muss ick dir raus helfen oder jehts alleene?" und ins mikrofon: „Verehrte fahrgäste, sie erleben jetzt kostenlos und fast umsonst..." aber da isser raus und ick „... ach nee, schade, doch nich, 'zeihung."

Für die nächsten wochen war erstmal wieder ruhe.

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