28 Januar 2007

Reichshauptstadt Germania

Grade habe ich gesehen, dass der berühmte Druckbelastungskörper¹
1. ganz in der Nähe vom Büro steht und
2. derzeit eingerüstet ist.

Von Sekamor - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Wir erinnern uns: Nach dem unvermeidlichen Endsieg sollte Berlin in die heldenhafte Reichshauptstadt GERMANIA umgewandelt werden. Diese hatte Überlegenheit und Adel der arischen Rasse durch schiere Größe auszudrücken. Die Nazis dachten bekanntermaßen so, mehr brauchten sie nicht. Das war geniale Einfachheit, und nicht etwa Einfalt, wie alle Äußerungen des Führers. Geplant war u.a. die "Große Halle", in die man den Eiffelturm vollständig hätte hineinstellen können, eine Halle mit 300m Höhe.

Weil der Endsieg sowieso unvermeidlich war, fing man schon vorher mit der Ausführung an - man wollte doch rechtzeitig fertig sein. In ganz Europa wurden vorsorglich Baustoffe zusammengeraubt, die man für die Errichtung der gigantomanischen Gebäude vielleicht irgendwann mal brauchen könnte.

Leider wusste man wegen ihrer Größe noch gar nicht, ob die gigantomanischen Gebäude überhaupt halten würden. Man gedachte, Neuland zu betreten, zumindest was die Größe betraf. Sicherheitshalber hatte der Größte Führer aller Zeiten schon die Idee mit der 1000jährigen Architektur geäußert, die auch als Ruine noch erhaben, oder wenigstens passabel, aussehen würde. Eigentlich konnte schon gar nichts schiefgehen. Die Architekten und Ingenieure wollten aber anscheinend noch nicht zurück ins Stadium des technologischen Mittelalters.

So manche gotische Kathedrale soll während des Baus eingestürzt sein. "Macht ja nix", sagte dann der Bischof, "jetzt räumt hier mal auf und grabt die erschlagenen Handwerker aus. Nehmen wir halt neue, wir haben ja noch welche. Und dann fangen wir nochmal von vorne an. Dein Wille geschehe, oh Herr!" Die Nazis dachten zwar ganz ähnlich, aber ihren Ingenieuren wäre das als Umweg erschienen.

Damit kommen wir endlich zum Thema:
Der Druckbelastungskörper ist ein Utensil, mit dem Speers Architekten vor der Errichtung der Megabauten die Festigkeit des Baugrundes prüfen wollten. Über 12.000 Tonnen massiver Beton, oben in einem großen Zylinder, unten mit einem schmaleren Fuß, eine Pilzform. Das Ding ist seit Baubeginn um mehrere Meter(!) im Boden eingesunken.³

Heute liegt nur noch den obere Teil des Pilzes über dem Boden und ein geringer Teil des Schaftes. Näheres bei Wikipedia.

Aber: Der Betonpilz ist eingerüstet². Da bin ich jetzt mal gespannt. Das Teil soll bestimmt nicht verputzt werden. Ist ja immerhin nackter Beton und muss für den Denkmalschutz auch so bleiben. Fällt mir eigentlich nur Betonkosmetik ein. Nachbehandlung ist bei Sichtbeton nicht unüblich, wird aber eigentlich immer hässlich und bleibt fast immer dauerhaft sichtbar. Bin sehr gespannt, was sie mit dem massiven Betonteil vorhaben.

Edith, einige Zeit später (2009):
Inzwischen ist die Betonkosmetik fertig, und daneben steht eine ganz seltsame, aber dafür teure Aussichtsplattform aus Stahl. Wo man von da aus hinsehen soll, ist mir schleierhaft - vielleicht einfach in die Fenster der benachbarten Sozialbauten, 3. Stock.

Aber sie haben es tatsächlich so gelassen: Dilettantische Betonkosmetik all over - man soll ja sehen, dass es repariert wurde. ...und wahrscheinlich soll man sehen, dass es dilettantisch repariert wurde.

Es gibt vom Bezirksamt Schöneberg eine wunderbare, erschöpfende und gar nicht teure Dokumentation über das Bauwerk. Kriegt man in jedem gut sortierten Stadtteilladen.


¹ jaja, es ist mir nicht entgangen: Der Autor im Wikipedia nennt ihn SCHWERbelastungskörper.
Aber in der Denkmalliste heißt er GROSSbelastungskörper. Da müssen wir uns nochmal auf die Terminologie einigen.

² oh, sorry. Für die Laien: Da steht ein Baugerüst außen rum.
³ nee, Quatsch: Ist es nicht. Wurde schon so gebaut.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

... und sieht man mittlerweile was die da vorhaben?

der Wolfgang

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