05 Januar 2007

Autofahren


längliche Predigt wieder mal

Autofaaaaarn ist eine feine Sache. Jedenfalls dann, wenn man drin sitzt. Und wenn der Sprit nicht so teuer ist. Und wenn man nicht grade im Stau steckt. Und wenn man nicht allzu lange nach einem Parkplatz suchen muss.

Wenn man nicht drin sitzt, strebt man in unseren Breiten automatisch nach diesem Zustand: Ein eigenes Auto. Möglichst bequem. Und größer als das vom Nachbarn. Mit dem fährt man dann jeden Morgen alleine zur Arbeit.

Wenn man drin sitzt, sieht die Welt ganz anders aus. Die Welt außerhalb will einen nur am Fortkommen hindern! Stau nervt! Das könnte man doch anders machen! Grüne Welle kann doch nicht so schwer sein! Abbiegespuren überall! Oder einfach eine Spur zusätzlich.

Die grüne Welle hat leider einen kleinen Nachteil: Der Querverkehr hat rot. Aber man selbst steckt ja zum Glück nicht in der Querstrasse und hat deshalb Anrecht auf die grüne Welle: Das könnten die doch! Beim nächsten mal wird der gewählt, der grüne Welle für alle verspricht.

Abbiegespuren würden die Sache sowieso viel einfacher machen. Und es gäbe auch gar keine Staus, wenn die Straßen überall eine Spur mehr hätten - meint Otto Vauwehfahrer. Aber am schlimmsten ist die Parkplatzsuche. Viel zu wenige Parkplätze im Viertel - wir brauchen einfach mehr!

Die Lösung ist trivial: Das nimmt man von den Bürgersteigen weg, wer braucht denn schon so breite Gehwege? Kein Mensch braucht die! Außer vielleicht ein paar Müttern mit Kinderwagen. Und vielleicht ein paar Kindern, die auf der Straße besser nicht Rad fahren. Und vielleicht ein paar Rentnern, die zu Fuß nicht ganz so fix sind wie der flexible Autofahrer. Und dann noch ein paar unverbesserlichen nörgelnden Anwohnern des Blocks, die einfach ihre Ruhe haben wollen: Diese unverbesserlichen Egoisten müssen eben alle ein wenig zurückstecken!

Egoisten sind sie natürlich nur so lange, wie der Otto Vauwehfahrer nicht sein Auto verlassen muss. Aber wehe, er geht zu Fuss und kommt nicht über die Strasse, wegen des starken Verkehrs: Wenigstens da gehört doch eine Ampel hin! Und wenn er mit dem Einkaufswagen nicht vom Baumarkt bis zu seiner rasenden Blechdose durchkommt: Die sind doch viel zu schmal, die Bürgersteige! Und der Typ, der ihn anhupt, weil er nicht schnell genug den Weg frei macht, ist sowieso ein Arschloch. Den wird er gleich aus seiner Karre zerren und ihm... aber der ist schon weg und Otto Vauwehfahrer steht allein da, mit seinem Ärger und seinem Einkaufswagen.

Es gibt aber eine Menge Leute, die es nie so weit bringen: Im eigenen Auto zu sitzen. Die sehen nie beide Seiten, sondern merken nur, wie ihr Freiraum immer kleiner wird zu Gunsten derer, die ohnehin genug haben und im eigenen Wagen sitzen. Und es gibt Gegenden, wo man ohne Auto gar kein menschenwürdiges Leben führen kann: Der Bus fährt zwei mal am Tag - in jeder Richtung einmal. Einkaufen ist dort ohne Auto generell unmöglich. Die Verwaltung liegt in der Kreisstadt, aber dort kommt man ganz bestimmt nicht mit der Bahn hin. Und selbst wenn es eine Buslinie gibt und diese mehrmals täglich bedient wird - liegt der Arbeitsplatz leider in einer ganz anderen Richtung. Also braucht man doch seinen eigenen Wagen. In dem man morgens alleine sitzt.

Der gemeine Autofahrer kann sich nicht einmal vorstellen, morgens auf dem Weg zur Arbeit Zeitung zu lesen. Aber alle wollen ihn aufhalten, meint er.

Also: Die Psyche verändert sich sowieso, wenn man sich ins Auto setzt. Wenn man so hilflos eingezwängt in seiner Blechdose sitzt und keinen anderen Weg hat um sich Luft zu machen, als das Gaspedal. Außerdem ist man da drin ja sooo sicher - keiner kann einem auf die Schnauze hauen, nur weil man den angepöbelt hat.

Aber das eigentlich größte Kunststück der Autoindustrie ist, dass es auch nach dem Aussteigen dabei bleibt: Der gemeine Bundesbürger denkt ja, der einzige Nachteil eines Autos sei das bisschen Dunst aus dem Auspuff. Und wenn man da dran arbeitet, ist alles gut.
Ein paar tausend Verkehrstote im Jahr, ein paar zehntausend Krüppel im Jahr - und zwar JEDES Jahr - sind erheblich mehr Blut, als ein einzelner Krieg kostet. Die Versicherung, die Gemeinschaft, bezahlt das alles.
Der Landschaftsverbrauch, der umfassende Lärm, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Fußgänger, die Besserwisserei, der Schmutz: Über all das macht sich niemand Gedanken, anscheinend, weil allein die Abgase in den Köpfen herumgeistern - buchstäblich.
Ganz zu schweigen von den Kosten für Instandhaltung der Straßen, Verkehrsregelung, Schäden und Reparaturen am Blech selbst, Rechtsstreitigkeiten und Disputen in der Familie.

Wahrscheinlich deshalb weigert sich die deutsche Industrie hartnäckig, schon heute das technisch mögliche saubere Auto zu bauen: Mit dieser Diskussion auf einem Randschauplatz lenkt sie vom eigentlichen Bündel der Probleme ab.

Kurz gesagt: Autofahren ist bei uns der komplette Blödsinn. Unsere Welt wurde von verschiedenen interessierten Leuten inzwischen so eingerichtet, daß man kaum eine andere Wahl hat. Und ich will auch ganz dringend eins. Möglichst groß, ja?



Grade gelesen: Immer weniger Verkehrstote! Großartig: Nur noch 5.000 Verkehrstote im Jahr!
(sorry, BILD war die erste Meldung, die ich gefunden habe, was neutrales vom Statistischen Bundesamt ist oben im Text verlinkt)

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